Traditions around the world #3 - Warum 45.000 Menschen mit Tomaten werfen
Freitag, 8. April 2016
Jedes Land hat Traditionen, die uns faszinieren, amüsieren und unseren Horizont erweitern. Wir teilen die schönsten und skurrilsten Bräuche in unserer "Traditions around the world"-Serie. Dieses Mal schauen wir uns ein ganz besonderes Fest in Spanien an.
An jedem letzten Mittwoch im August strömen tausende Touristen in das kleine Städtchen Bunol in der Region Valencia. Neben den 10.000 Einwohnern fiebern jedes Jahr bis zu 45.000 Angereiste auf diese eine Stunde zwischen 11:00 und 12:00 Uhr mittags hin. Denn dort findet die jährliche Tomatenschlacht statt. Ja, richtig gelesen: Erwachsene Menschen bewerfen sich gegenseitig mit reifen Tomaten, bis sie selbst und die ganze Stadt fast in Tomatensaft ertrinken. Aber wieso? Und woher kommt diese verrückte Tradition?
Ist ein Nachbarschaftsstreit verantwortlich?
Die Veranstalter der Tomatenschlacht, oder “Tomatina”, wie sie offiziell heißt, betonen immer wieder, dass es dabei weder um ein politisches noch um anderweitig motiviertes Fest handelt. Es geht einzig und allein um eins: Um den Spaß! Seit 1945 werden ausnahmslos jedes Jahr die Tomaten herangekarrt. Wie kommt es zu diesem ausgefallenen Brauch? Wie bei so vielen “Legenden” scheiden sich auch hier die Geister. Es kursieren Geschichten darüber, dass Nachbarn am letzten Mittwoch im August 1945 in einen so heftigen Streit geraten sind, dass sie sich schließlich mit Tomaten beworfen haben sollen. Andere erzählen von einem Straßenmusiker, der angeblich so schlecht spielte, dass er von den Einwohnern mit faulen Tomaten aus der Stadt gejagt wurde. Wieder andere Geschichten berichten, dass man in diesem Jahr mit einem Überfluss an Tomaten zurecht kommen musste und sich nicht anders zu helfen wusste, als sich mit ihnen zu bewerfen.
Aber wie läuft das ganze ab? Und gibt es Regeln?
Am großen Tag versammeln sich bereits um 9:00 Uhr alle Teilnehmer und Einwohner, die dem Spektakel beiwohnen wollen. Und dann gibt es eine ganze Reihe von Traditionen, die den Morgen gestalten:
Erstmal wird ein großzügiges Frühstück – meist Gebäckstücke – vor dem Rathaus an die Menge verteilt.
Außerdem wird in der Mitte des Rathausplatzes ein eingeseifter Baumstamm aufgestellt, auf dessen Spitze ein Schinken aufgespießt ist. Die Mutigen unter den Besuchern versuchen unter der großen Belustigung der Zuschauer den Stamm hochzuklettern, um den “Preis”, also den Schinken zu ergattern. Natürlich ist das bei einem eingeseiften, also ziemlich glatten Baumstamm sehr lustig anzusehen. Auch dieser Brauch dient einzig und allein der Erheiterung der vorfreudigen Menschen.
Und bevor es schließlich tatsächlich losgeht, gießen Einwohner von ihren Balkonen aus Wassereimer auf die Wartenden, um sie auf die Schlacht “einzustimmen”.
Pünktlich um 11 Uhr vormittags fährt dann unter lautem Hupen der erste Laster mit der “Munition” in die Straßen ein, auf dem Leute mitfahren, die die Menge vom Laster aus mit ersten Tomaten bewerfen. Sobald der Laster anhält, stürzen sich alle auf das rote Gemüse, um mit der richtigen "Schlacht" zu beginnen. Ein einziges, wildes Fest, bei dem die großen Kinder endlich doch noch mit ihrem Essen spielen dürfen!
Saubere Hausfassaden dank der Tomatensäure
Neben all dem Spaß, gibt es dennoch auch Regeln! Die Verantwortlichen sind angehalten, auch wirklich nur reife und überreife Tomaten zu liefern und damit auch wirklich niemand verletzt wird, soll man die Tomante außerdem mit der Hand zerquetschen, bevor man jemanden bewirft. Das Spektakel dauert genau eine Stunde. Um 12:00 Uhr ertönt ein Gong, und alle haben ihre Wurfgeschosse niederzulegen, wer nach dem Endgong weiter macht, verstößt gegen den “Ehrenkodex”. Regeln, die bislang noch immer respektiert zu werden scheinen.
Nachdem die Teilnehmer von Einwohnern mit Wasserschläuchen notdürftig sauber gespritzt wurden, wird erwartet, dass alle beim Aufräumen und Saubermachen helfen. Meist wurden so viele Tomaten zerquetscht, dass danach ganze Flüsse an Tomatensaft die Straßen herunter fließen. Doch auch tausende herrenlose Schuhe und Kleidung müssen beseitigt werden (Erfahrene befestigen sich übrigens ver "der Schlacht" ihre Schuhe mit Klebeband an den Füßen!). Für die beschmutzten Häuserfassaden ist die Tomatina entgegen aller Erwartungen ein wahrer Segen: Durch die Säure der Tomaten wird aller Dreck regelmäßig weggewaschen, noch einmal mit dem Wasserschlauch drüber und sie erstrahlen tatsächlich sauberer als zuvor!
Die Tomatina im Guinness Buch der Rekorde
Sich unbeschwert schmutzig machen und sich ausgelassen gegenseitig mit Tomaten bewerfen: Kein Wunder, dass dieses Konzept jedes Jahr bei Touristen aus der ganzen Welt beliebter wird. 2004 stand die Tomatina aufgrund ihrer hohen Besucherzahl im Guinness Buch der Rekorde; Es waren 38.000 Menschen gekommen, um sich mit insgesamt 125.000 Kilo Tomaten zu bewerfen. Mit den Jahren drängten immer mehr Menschen an diesem besonderen Augusttag in die kleine Stadt. Das konnte selbstverständlich nciht unbegrenzt wachsen, seit 2013 gibt es deshalb nur eine limitierte Anzahl Tickets, mit denen Zugang zu der Feier gewährt wird. Von den insgesamt 20.000 Karten sind 5.000 Freikarten für die Einwohner selbst vorgesehen. Die restlichen 15.000 Karten können von Touristen für 10 Euro pro Stück erworben werden. Wer hätte gedacht, dass ein Nachbarschaftstreit oder ein schlechter Straßenmusiker der Stadt Bunol eines Tages zu solch einer weltweiten Berühmtheit verhelfen würde?
Die größte Lebensmittelverschwendung der Welt
Bei all den guten Seiten gibt es natürlich auch Kritik an der Tomatina, schließlich werden dafür jedes Jahr über 10 000 Tonnen (!) Tomaten verschwendet – während Menschen in anderen Ländern hungern. Ein Aspekt, der leider nur mit einem Ende des Festivals zu beheben wäre. Was Kritiker allerdings ein wenig versöhnlicher stimmen könnte: Fast kein Festival auf der Welt macht so viele Menschen glücklich wie die Tomatina. Einmal wieder Kind sein, sich unbeschwert schmutzig machen – kaum ein Fest verläuft so friedlich und lässt so viele Gesichter strahlen.
Dieses Jahr fällt die Tomatina auf den 26.08.2016. Lust bekommen, auch mal mit Tomaten um sich zu schmeißen? Reservier dir lieber bald ein Ticket!
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